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Sturmschwarze Nacht - Die Inselspaltung


Eine Welle mit Gischt peitscht die See. Möwen fliegen. Eine junge Frau in einem Porträt steht vor einem Hintergrund aus Klippen.
Sturmschwarze Nacht - Die Inselspaltung

Welle: © Zacarias da Mata - fotolia.com

Gesa: © Simone Gütte


So klingt sie also, die Ruhe nach dem Sturm. Kreischende Möwen treiben im Wind, stoßen pfeilgerade ins Meer auf der Suche nach Beute. Aufgeregte Austernfischer rennen über den Strand und picken mit ihren langen, roten Schnäbeln nach Nahrung. Krammetsvögel flattern aufgeschreckt umher. Es müffelt nach Fischabfällen, gammelnden Seetang und verwesenden Muscheln.


Würden nicht überall versprengte Steine, zerbrochene Bretter, verstreutes Reet, abgetragene Dachziegel und jede Menge Algenberge, Tang und totes Getier am Strand verstreut liegen - man könnte meinen, es wäre nichts geschehen.


Aber in der Nacht zum 1. Januar 1721 hat eine sagenhafte Sturmflut deät Lun überrollt. Die Anwohner stehen mitten in diesem Geröll, eisige Luft schiebt sich unter die Kleider und lässt sie frösteln. In der Luft hängen Klagen. Menschen beweinen ihre Verluste, liegen sich in den Armen. Fassungslos betrachten sie die Zerstörung, die die Sturmflut angerichtet hat.


Von Anfang an.


Mein Name ist Gesa Christiansen, ich wurde im Winter 1696 auf der Insull Hellgeland* geboren und bin dort aufgewachsen. Wellen, Wind und Sturmglocken sind meine ständigen Begleiter.


Der Sturm war bereits seit Weihnachten aufgezogen und tobte um die Klippen. Weihnachtsstürme sind nichts Ungewöhnliches. Sie überschwemmen immer wieder das flache Land und die Inseln in der See. Wir Helgoländer sind Unwetter gewohnt. Wir wissen, wann sie eintreffen. Die Vorboten sind unverkennbar. Dann heult, jammert und schreit es tief unterm Strand. Der böse Mann erwacht und befiehlt den Stürmen, das Land abzureißen.


Draußen am Horizont bauten sich dunkelgrüne, nahezu schwarze Wellenberge auf und prallten mit sprühender Gischt gegen den Sandstein. Wie ein zehnköpfiges Ungeheuer ächzte der Orkan, der das heftige Wasser vor sich hertrieb. Schwall um Schwall schüttete er die Massen über die Klippen. Haushohe Brecher bäumten sich auf und zerschmetterten die letzten Überbleibsel der Witte Kliff.


Einst verschmolz das flache Unterland mit einem Wall aus Sand und Geröll. De Woal führte hinüber auf die Düne, auf der sich vor Jahrhunderten einmal beeindruckende weiße Kreidefelsen im Himmel spiegelten, fast so hoch wie die roten Klippen selbst. Sie schützten das Eiland. Dieser Wall bildete gleichzeitig eine Trennlinie zwischen dem Hafen im Norden und im Süden.


Dazu ist zu sagen, dass See, Wind und Wellen beständig an der Witte Kliff nagten. Aber auch die Helgoländer bauten seit 1463 fleißig Muschelkalk und Gips ab und verkauften es als Baumaterial an das zahlungskräftige Festland nach Hamburg, Husum und Tönning.


Am 1. November 1711 wurden die letzten Überreste des weißen Felsens durch eine hohe Flut umgeworfen. Ein Abbau war nicht mehr möglich. De Woal war so instabil geworden, dass er gegen zwei Uhr an diesem Neujahrsmorgen endgültig brach. Da, wo im Sommer Heuschober standen und Kühe weideten, strömt nun die Nordsee hinweg.


Viele Einwohner haben ihre Bleibe verloren. Häuser, Hütten, Buden und Lagerhäuser hat die Sturmflut ins Meer gerissen.


Wir sind ja Einiges gewohnt. Auch jetzt werden wir uns nicht geschlagen geben.


»St. Nicolai, beschütze Land und Strand.«


Wie erreicht man unsere Insel überhaupt? Das erzähle ich beim nächsten Mal.


Stürmische Grüße - Gesa



Quellen:

© »Geschichte und Geschichten der Insel Helgoland«, Otto-Erwin Hornsmann, bearbeitet von Erich-Nummel Krüss, Museum Helgoland

© »Helgoland in einer 250 Jahre alten Beschreibung« - Johann Friedrich Camerer (M.-G.Schmitz-Verlag/Nordstrand), Museum Helgoland

*Schreibweise um 1714

Zitate und Eigennamen kursiv


Text ohne KI: © Simone Gütte

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