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Eine Tischrunde schmiedet Pläne


Berthe, ihre Tochter Gesine, ihr Ziehkind Loredana sowie Agnes und ihr Sohn Kaspar haben sich zusammengefunden. Das tun sie oft, um zu arbeiten, die neuesten Nachrichten weiterzugeben und um sich auszutauschen. Heute jedoch schmieden sie Pläne. Und nicht nur das.

Belausche sie, lerne ihre Charaktere, ihre Absichten und die Hintergründe der Geschichte rund um die Karmageister kennen.

Wie sprechen sie über andere? Wie urteilen sie über andere? Was sind ihre Ängste? Sind sie mutig oder abwartend? Höre genau hin, in den kurzen Gesprächen erfährst du mehr über sie, als sie selbst zugeben würden.

Aber was ist überhaupt geschehen? Dafür suchen wir zuerst zwei Orte auf: die Ebnisburg und das Dorf Löhnsfelde.


1525/1526 A.D.

Die Ebnisburg befindet sich mitten im Larawald in der Nähe des Dorfes Löhnsfelde und der Stadt Ebnis. Die Orte sind frei erfunden, sind jedoch aufgrund der Historie nördlich von Göttingen angesiedelt. Im Norden ging es zurzeit der Deutschen Bauernkriege gemäßigter zu, während im hessischen Raum bis in den Schwarzwald die Aufstände tobten. Aus einer dieser Schlachten (bei Frankenhausen) kehrte zu jener Zeit der Rottmeister Dederich von Lohe mit seinen Söldnern heim. Einst war er ein normaler Löhnsfelder Landadliger, aber nach der Schlacht unterwirft er die Ebnisburg für seine Zwecke. Dies ist leicht, denn sie ist keine Wehrburg, sondern eine Wohnburg, die im Besitz der Burgherren Lothar und Heidrun steht.

Dederich von Lohe verteidigt „sein“ Eigentum mit allen Mitteln. Vor allen Dingen mit Feuer. Denn Heidruns Tochter Loredana lebt und könnte eines Tages ihr Erbe einfordern.


Am Rande des Dorfes Löhnsfelde leben die Hebamme Berthe Hathwehren und ihre 11-jährige Tochter Gesine. Fast täglich ist Berthe im Dorf oder auf der Ebnisburg, um den schwangeren Frauen bei der Geburt beizustehen, Wunden zu heilen oder um mit ihren Kräutertinkturen Schmerzen zu lindern. Mit ihren jungen Jahren packt Gesine bereits tatkräftig mit an. Ihr Wunsch ist es, in die Fußstapfen der Mutter zu treten.

Philipp Fairwarden als Dorfsprecher und seine Frau Agnes sind eng mit der Hebamme und ihrer Tochter befreundet.

Seit Dederich von Lohe die Ebnisburg erobert hat, müssen sich die Dorfbewohner vor seinen Brandschatzungen wappnen.

Anno 1542 hat sich das Dorf bereits als wehrhafte Trutzburg einen Namen gemacht.

Auch Loredana ist erwachsen geworden. Sie weiß nun, dass sie Lothar und Heidruns Tochter ist. Und sie will den Greueltaten Dederichs eine Ende bereiten.


»Abenteuerlustig bist du und viel zu sorglos!« Berthe rieb sich die Stirn, ihr Gesicht war gerötet. »Nun kennst du die Wahrheit, weißt, dass du Heidruns Tochter und damit die Burgerbin bist. Aber du treibst dich im Wald herum, trägst noch nicht einmal eine Haube über deinem roten Haar. Wenn Dederich das mitbekommt …« Sie stockte.

»Loredana ist mutig, Berthe«, warf Agnes mit einem Seitenblick auf Berthes Ziehtochter ein. »Das brauchen wir in diesen Zeiten. Jemand, der den ersten Schritt wagt.«


Berthe schüttelte den Kopf. »Wenigstens ist dein Sohn im Gegensatz zu Loredana besonnen. Ich hoffe, er bringt sie auf bodenständige Gedanken.«

»Oder deine Tochter reißt Kaspar mit ihrem Temperament mit«, erwiderte Agnes.

Gesine, die in ihrem Mörser Waldmeisterblüten zerkleinerte, sah zu Loredana und Kaspar hinüber. Die beiden hatten die Köpfe über ihre Arbeit gesenkt. »Ich fürchte, Kaspar ist meiner jüngeren Schwester nicht immer gewachsen. Mal sehen, wer hier wen bodenständig macht.«


Gesine nickte Berthe zu: »Ich verstehe dich, Mutter. Du willst Loredana vor Dederich schützen. Er rächt sich an den Dorfbewohnern, weil er ihre Mutter Heidrun nicht besitzen konnte. Wer weiß, was er mit Loredana machen würde.«

»Damals bei dem großen Feuer brannten unsere Felder«, bemerkte Agnes. »Die Ernten wurden vernichtet. So viele Menschen starben. Und was tut unsere Hebamme Berthe? Ängstigt den Mann mit einer Prophezeiung!«

Sie ignorierte Berthes erschrockenen Blick. »Nun müssen wir zusehen, wie wir uns gegen den neuen Burgherrn wehren.«


Kaspar, der dem Disput bisher still gelauscht hatte, sah Agnes an. »Du, Mutter, versuchst durch Zauberei Dederich aus unserem Dorf fernzuhalten. Damit bringst du uns jedoch erst recht in Gefahr. Wie du richtig erkannt hast, fürchtet sich der Feuerteufel vor Prophezeiungen! Auch dich wird er für eine Hexe halten.«

Loredana, die neben ihm saß, blickte von ihrer Flickarbeit auf. »Ich fürchte mich nicht vor Dederich. Ich weiß, dass ich ein Spiegelbild meiner leiblichen Mutter Heidrun bin, die er angeblich so verehrte. Wie können wir gegen ihn vorgehen?«, wandte sie sich direkt an Kaspars Mutter.


»Ich versuche, auf meine Weise eine Lösung zu finden«, sagte Agnes ausweichend. »Mein Philipp wollte seinerzeit dein Erbe, Loredana, auf rechtmäßigem Wege sichern …«

»Was gar nichts gebracht hat«, unterbrach Berthe sie. »Außer einer langen beschwerlichen Reise für unseren Dorfsprecher.«


Agnes schüttelte den Kopf. »Philipp hat viel gehört und gesehen, als er durch das Land ritt. Es ist wahr, Dederich ist tief abergläubisch. Er nutzt das Feuer als Schutz. Ein grausamer Schutz, hinter dem sich Angst verbirgt. Aber nur Hass und Härte zeigt er der Welt.«

»Es reicht, um unser Dorf zu zerstören und die Menschen zu töten«, begehrte Loredana auf. »Seine Angst weckt sicher nicht mein Mitgefühl. Er setzt das Feuer gegen uns ein.«


Agnes überlegte. »Da ist noch Brunhilda, seine Stieftochter. Die schwarze Hexe. Schützt sie ihn vor der Prophezeiung? Was hast du über sie gehört, Gesine?«

Gesine bearbeitete die Waldmeisterblüten in ihrem Mörser, ohne aufzusehen. »Einst war sie meine liebste Freundin.«

Sie unterbrach sich und klopfte den Stößel am Rand ab. »Jetzt jedoch dient sie Dederich, ist seine Handlangerin …«

»Schweigt!«, herrschte Berthe die Tischrunde an. »Wir wissen nichts über Brunhilda, seit sie zu Dederich auf die Burg zurückgekehrt ist. Jeder dichtet ihr etwas an, weil keiner etwas weiß.«


»Du hast Brunhilda geliebt wie deine eigene Schwester, nicht wahr?«, versuchte Loredana Gesine zu trösten. »Du hast ihr alles über die Heilkräfte der Natur beigebracht.«

»Sie hätte genau wie Gesine eine gute Hebamme werden können«, mischte sich Agnes ein. »Aber sie hat euch verraten!«


»Neulich im Wald haben wir Hauert und Röttger belauscht. Röttger ist voller Tücke und hinterlistig. Ständig weiß er alles besser!«, sagte Loredana.

»Hauert, das lange Elend, hat dagegen nichts in der Birne«, fügte Kaspar hinzu. »Was er nicht weiß, beantwortet er mit Schlägereien.«

»Wenn sie euch im Wald erwischen, bezahlt ihr das mit eurem Leben«, schimpfte Berthe. »Sie fackeln nicht lange, schneiden euch kurzerhand die Kehlen durch, auch wenn sie aussehen wie ein faltiger Kürbis neben einer schwankenden Bohnenstange.«


Loredana dachte nach. »Die einzige Möglichkeit, Dederich und seine Spießgesellen von der Ebnisburg zu vertreiben, ist deine Prophezeiung zu sprechen, Mutter.«

»Niemals!«, entrüstete sich Berthe.

»Wir könnten die Hilfe von Karmageistern nutzen«, sagte Agnes.

Alle blickten sie an.

»Was sind Karmageister?«, fragte Kaspar.

»Sie machen Zeichen sichtbar, setzen Dinge in Bewegung. Sie verändern das Schicksal«, antwortete seine Mutter.

»Das ist Gotteslästerei!«, wandte Berthe ein.

Loredana blickte von einem zum anderen. »Der Feuerteufel fürchtet sich vor nichts so sehr, wie vor Zauberei. Warum ihn nicht mit seinen eigenen Ängsten in die Flucht schlagen?«

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